Hersteller des Jahres: KTM
KTM stand dieses Jahr im Rampenlicht. Im Gegensatz insbesondere zu seinen japanischen Konkurrenten geht es dem österreichischen Werk gut. Und das ist bemerkenswert, denn 2009 stand das Unternehmen noch mit dem Rücken zur Wand. Der indische Motorradhersteller und Anteilseigner Bajaj erhöhte daraufhin seinen Anteil an KTM auf rund 35 %. Dies verschaffte den Oberösterreichern etwas mehr finanziellen Spielraum. Ein Schreckensszenario wie 1992, als KTM wegen seiner stark defizitären Kühlerabteilung in die Pleite ging, konnte so abgewendet werden.
In der Zwischenzeit arbeitete KTM weiter an neuen Motorrädern. Im Jahr 2009 im Mailänder Salon SX-F 350 empfohlen. Das revolutionäre Dirtbike wurde unter Mitwirkung des zehnmaligen Weltmeisters Stefan Everts entwickelt. Schon damals gab es Gerüchte, dass MX1-Weltmeister Antonio Cairoli, der Mitte der Saison von Yamaha zu KTM gewechselt war, mit diesem neuen Motor GPs fahren würde. Letztendlich würde Cairoli eine ganze Saison mit der SX-F 350 absolvieren.
KTM kontrolliert die Motocross-Weltmeisterschaft
Auf sportlicher Ebene hat KTM dieses Jahr im Motocross gut abgeschnitten. Neben Antonio Cairolis Weltmeistertitel in der Premier Class gewann KTM mit Marvin Musquin und Stefanie Laier auch die Titel in der MX2-Weltmeisterschaft und der Frauen-Weltmeisterschaft. Als ob das nicht genug wäre, holten sich KTM-Fahrer letzten Sommer alle Titel bei der Junior-Motocross-Weltmeisterschaft in Dardon-Gueugnon.
Der Erfolg der SX-F 350 bei den GPs schlug sich fast sofort in Verkaufszahlen nieder. Von dem Moment an, als das Motorrad in den Benelux-Ländern eingeführt wurde, war es auch bei nationalen und regionalen Veranstaltungen auf der Rennstrecke zu sehen. Hatte KTM den Viertaktmotor gebaut, auf den Amateure jahrelang gewartet hatten? Vielleicht, auch wenn es für eine Antwort noch zu früh ist. Dass die Hinterradaufhängung der SX-F 350, wie der Rest der Viertakt-MX-Reihe, mit einem normalen konventionellen Lenker ausgestattet ist, ist sicherlich kein Nachteil. Die SX-F 350 ist auf jeden Fall ein Verkaufserfolg. Bis Mitte September hatte KTM in Belgien bereits rund 100 Exemplare des Motorrads verkauft. Zu weiteren Verkaufszahlen möchte KTM nicht mitteilen, unzufrieden sei man aber sicher nicht, wurde uns mitgeteilt.
Aggressive Sportpolitik
Es ist klar, dass KTM innerhalb weniger Saisons die Karten im Motocross-Bereich gründlich neu gemischt hat. Die Strategie der Marke, in die besten Fahrer und das erfahrenste Support-Personal zu investieren, scheint zu funktionieren. Und das steht im Gegensatz zur Sportpolitik der japanischen Marken. Beispielsweise unternahm Honda 2009 kaum oder gar keine Anstrengungen, Marvin Musquin, den damaligen Führenden in der MX2-Weltmeisterschaft, zu halten. Damals zögerte KTM keine Sekunde und bot Musquin einen Vertrag als Ersatz für den verletzten Shaun Simpson an.
In diesem Jahr wurde Suzuki der Größte Slachtoffer des Expansionismus der Österreicher. KTM hat nicht nur Ken Roczen, das größte europäische Suzuki-Talent seit Stefan Everts, abgeworben, sondern auch seinen Hauptsponsor Teka. Auf der anderen Seite des Ozeans lockte KTM die Suzuki-Ikone Roger De Coster an.
De Coster weiß besser als jeder andere, wie man ein solides Team aus Top-Fahrern zusammenstellt, um die 17 Runden der AMA Supercross Championship und die 12 Runden der AMA Nationals erfolgreich abzuschließen. Dadurch Coup KTM hat nicht nur sein amerikanisches Team gestärkt, sondern auch das Rockstar-Makita-Suzuki-Team des amtierenden Meisters Ryan Dungey geschwächt. Bedeutet das eine deutliche Steigerung der Titelchancen von KTM-Spitzenreiter Andrew Short? Wahrscheinlich nicht, ein Superteam keimt einfach nicht auf 1,2,3. Aber KTM hat die Messlatte eindeutig hoch gelegt und so können wir in den kommenden Jahren im amerikanischen Motocross viel von ihnen erwarten.
Viele Neuigkeiten in der Pipeline
Nicht nur im sportlichen Bereich sind die Erwartungen sehr hoch, auch produktseitig gibt es bei KTM jede Menge Interessantes zu entdecken. Im Juli sorgte die Tochtergesellschaft Husaberg erstmals in ihrem 22-jährigen Bestehen für eine große Überraschung eine Reihe von Zweitaktmotoren zum Markt. Husaberg war immer als reine Viertaktmarke bekannt, aber das macht mich jetzt kaputt. Und das ist bemerkenswert, weil es dem Trend widerspricht, der bei japanischen Herstellern vorherrscht. Derzeit haben nur noch Suzuki und Yamaha Zweitakt-Dirtbikes im Sortiment. Dabei handelt es sich um weiterentwickelte Motoren.
Im Gegensatz zu den Japanern hat KTM immer an den Zweitakter geglaubt. Eine Politik, die sich nun auszuzahlen scheint, denn immer mehr Hobby-Motorsportler entscheiden sich wieder für einen Zweitakter. Auch wenn die Einführung einer Zweitakt-Husaberg-Reihe an sich schon sensationell war, hat KTM immer noch einen großen Trumpf im Ärmel. Es ist ein offenes Geheimnis, dass sich die Österreicher auf die Entwicklung von Zweitaktmotoren mit Kraftstoffeinspritzung konzentriert haben. Dieser Motor galt angeblich als einsatzbereit, doch KTM entschied sich aufgrund der aktuellen Situation auf dem Motorradmarkt, die Markteinführung um ein weiteres Jahr zu verschieben. Die zusätzliche Zeit, die sie gewinnen, wird es ihnen wahrscheinlich ermöglichen, den Block weiter zu verfeinern.
Die Einführung des Zero Emission Motorcycle wird wahrscheinlich wirklich revolutionär sein. KTM hatte den Mut, den Prototypen seines allerersten elektrischen Enduro-Motorrads in der Höhle des Löwen, der Tokyo Motor Show, zu präsentieren. Die Einführung der elektrischen KTM ist für Herbst 2011 geplant. Die Idee eines elektrischen Offroad-Motorrads ist natürlich nicht neu, da Quantya und Zero bereits seit einigen Jahren in diesem Bereich tätig sind. Doch wenn die elektrische KTM im Herbst 2011 bei Ihrem örtlichen KTM-Händler erhältlich sein wird, ist es das allererste Mal, dass sich ein renommierter Motorradhersteller in diese Nische vorwagt. Und der Name KTM kommt Offroad-Enthusiasten wahrscheinlich bekannter vor.
Mehr als nur Offroad
Doch die sportlichen und kommerziellen Ambitionen von KTM beschränken sich nicht nur auf Enduro und Motorcross. Die Österreicher haben schon lange den größeren und lukrativeren Markt für Straßenmotorräder im Auge. 2008 überraschten sie Freund und Feind mit der RC8, dem ersten Superbike, das in Mattighofen vom Band lief. Die RC8 erwies sich als kein Verkaufsschlager, dennoch entwickelt KTM das Modell kontinuierlich weiter. Mit dem neuen RC8 R-Schiene KTM wendet seine „Ready to Race“-Philosophie auf sein Superbike an. Das Motorrad ist maßgeschneidert für den begeisterten Rundstreckenfahrer, der es bei Streckentagen oder Clubrennen nutzen kann.
Unter diesem Gesichtspunkt sollte man wohl auch das weitere Engagement des KTM-Werksteams in der IDM (Internationales Deutsches Motorradmeisterschaft) betrachten. In diesem Jahr gewann KTM bereits den Herstellertitel in der prestigeträchtigsten nationalen Straßenrennmeisterschaft Kontinentaleuropas. Im nächsten Jahr strebt KTM auch den Einzeltitel an.
KTM wird sich in Zukunft wahrscheinlich nicht nur auf den Serienrennsport beschränken. Es wird erwartet, dass sich die Marke ab 2013 auch für den Neuen engagiert Moto3 klasse der Straßen-GPs. Damit erschließen sich die Österreicher als Anbieter von Rennblöcken sofort einen neuen Markt. Gleichzeitig können wir auch mit der Ankunft einer Duke 250 mit einem ähnlichen 250F-Motor rechnen.
Beginn einer neuen Ära?
War 2010, das Jahr, in dem europäische Motorradmarken Marktanteile gewannen, ein Wendepunkt? Das wird wohl die Zukunft bestimmen. Doch derzeit scheint es so, als ob die Japaner die Kontrolle über den Offroad-Markt verlieren. Die Konkurrenz für KTM, sowohl kommerziell als auch sportlich, wird in den kommenden Jahren voraussichtlich immer mehr aus Europa kommen. Derzeit sind die Österreicher der mit Abstand größte europäische Player im Offroad-Markt. Nur wenn BMW weiterhin voll in seine Tochtergesellschaft Husqvarna investiert, kann diese Position langfristig gefährdet sein.
Bildnachweis: KTM-Bilder, Ray Archer, CDS-Bilder
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