Technologie: große (R)Evolution bei KTM-Zweitakt-Crossern
Gestern stellte Marktführer KTM der breiten Öffentlichkeit seine neuen Motocross-Modelle vor. Diese erhielten ein großes Update, das der österreichischen Marke einen deutlichen Vorsprung gegenüber der Konkurrenz verschafft. Sowohl die Viertakt- als auch die Zweitaktmotoren wurden neu konstruiert, aber der Schritt in der Zweitakttechnologie ist sicherlich ein sehr großer.
Heute filetieren wir die drei Zweitakter von KTM. Komplett neu sind die Modelle SX125, SX250 und SX300. Die Zweitakter erhalten eine Kraftstoffeinspritzung, einen Elektrostarter und andere nette Dinge. KTM war eine der wenigen Marken, die ihre Zweitakt-Motocross-Motorräder weiterentwickelten. Das erwies sich als goldener Schachzug, denn eingefleischte Zweitakt-Enthusiasten auf der ganzen Welt wurden von den österreichischen Ingenieuren bedient. In Japan baute nur Yamaha weiterhin Zweitakter und brachte jedes Jahr neue Aufkleber an ihren alten 2006er-Modellen an.
Yamaha hat letztes Jahr endlich erkannt, worum es bei der Aufregung ging, und hat seinen YZ-Knallern ein solides Motor-Update verpasst. Damit kam man zwar nicht wirklich an die Leistung einer vergleichbaren KTM heran, aber immerhin war die blaue Maschine nun wieder mehr oder weniger konkurrenzfähig. Allerdings ist das Update, das KTM gestern in die weite Welt verschickte, in einer anderen Größenordnung. Sagen wir einfach, es ist ein kleiner Meilenstein in der Zweitakttechnologie. Mit der Einführung dieser neuen Dirtbikes macht KTM vielleicht den größten Schritt in der Zweitakttechnologie aller Zeiten.
Vormischung im Haus
Erlkönigfotos gaben uns zuvor Einblick in die große Wende bei KTM. Sie zeigten, dass ein Vergaser nicht mehr notwendig war und es nur noch eine Möglichkeit gab, die Zylinder zu füllen: EFI oder elektronische Einspritzung. KTM hatte die TPI-Einspritzung bereits vor einigen Jahren bei ihren Enduros eingeführt, sie wurde jedoch nicht beibehalten. Anstatt zwei Einspritzdüsen in die Spülanschlüsse einzuschrauben, befinden sie sich jetzt im Drosselklappengehäuse.
Gemeinsam mit Keihin wurde ein 39-mm-Drosselklappengehäuse entwickelt, das den Strapazen des Motocross-Wettbewerbs standhält. Dies geschieht durch ein speziell abgestimmtes Steuergerät, das mit dem Keihin-Drosselklappengehäuse zusammenarbeitet, um stets das richtige Luft-Kraftstoff-Gemisch zu liefern, indem es kontinuierlich Wassertemperatur, Lufttemperatur, Umgebungsdruck, Kurbelgehäusedruck, Motordrehzahl und Drosselklappenstellung analysiert. Entwickelt wurde das Steuergerät von Vitesco, einem deutschen Unternehmen aus Regensburg, das auf Antriebssysteme für die Automobilbranche spezialisiert ist. Neu gestaltete Einspritzdüsen sorgen zudem für eine optimale Verbrennungsgeschwindigkeit, wobei ein verbesserter und damit feinerer Kraftstoffnebel für eine sauberere Zündung und weniger Kraftstoffverschwendung entsteht.
Im Gegensatz zum TPI-System bei KTM-Enduros benötigen die Motocross-Motorräder wie üblich eine Vormischung. Es gibt also keinen separaten Öltank und somit auch keine separate Einspritzung von Zweitaktöl. Das Nachfüllen von Öl zum Benzin bleibt ein Muss, wenn Sie mit einem modernen Zweitakter Rennen fahren möchten. Ob sich die Mischungsverhältnisse im Vergleich zu den Modellen mit Vergaser geändert haben, ist noch nicht bekannt.
Laut KTM ist die KTM SX-Reihe 2023 eine realistische Alternative zu Viertaktmotoren, die unter allen Bedingungen eine optimale Leistungsentfaltung bietet, ohne dass die Vergaser hinsichtlich der Düsen manipuliert werden müssen. Von nun an müssen sich KTM-Besitzer nicht mehr um die Einstellung eines Vergasers, die Änderung der Höhe der Drosselklappennadel und den Austausch der Düsen kümmern.
Das Membranventil
Das Membranventil hat ein umfassendes Update erhalten, mit neu hinzugefügten Kunststoffklappen an der Außenseite des Membranventilgehäuses für eine bessere Abdichtung des gesamten Ansaugtrakts. Diese neue Konstruktion stellt sicher, dass der Zylinder bei extremen Bergauf- oder Bergabpassagen nicht mit Kraftstoff überfüllt wird, ohne dass er festsitzt oder fett läuft. Boyesen liefert weiterhin die Carbon-Abdeckplatten bzw. Schilfklappen.
Das elektrische Leistungsventil
Mit der Einführung von EFI wird das Leistungsventil im Auslasskanal basierend auf der Drosselklappenstellung und der Motordrehzahl gesteuert. Da das Ventil automatisch kalibriert wird, gibt es keine Probleme mehr mit Fehleinstellungen des Leistungsventils, da das Steuergerät automatisch die ideale Position berechnet. Dies führt zu einer linearen und vorhersehbaren Leistungsabgabe bei allen Drosselklappenpositionen.
Der Elektrostarter
Ab sofort sind die drei KTM-Zweitakter mit einem Elektrostarter ausgestattet. Treten ist nicht notwendig, es wird nicht einmal mehr erwähnt. Die Maschine läuft auf Knopfdruck, ein Luxus, der nun auch Zweitakt-Enthusiasten zugänglich ist. Der Startknopf kann einfach über einen neu gestalteten kombinierten Start-/Stoppschalter auf der rechten Seite des Lenkers umgeschaltet werden.
Der Anlasser ist jetzt noch stärker in den Motorraum integriert und wird ohne Zwischenwelle geliefert, was Gewicht spart und eine kompakte Motorbauweise mit perfekter Integration und Verdrehsicherung ermöglicht. Die Gewichtseinsparung geht sogar noch weiter, da ein ultraleichter 12,8 V 2 Ah Lithium-Ionen-Akku nahe dem Schwerpunkt unter dem Sattel platziert ist.
Die Zuordnungen
Durch die Hinzufügung von EFI war es möglich, bei den 2-Takt-SX-Maschinen unterschiedliche Motorzuordnungen einzuführen. Dies können Sie ganz einfach über den Schalter auf der linken Seite des Lenkers umstellen. Karte 1 bietet eine standardmäßige, moderatere Kurve für lineare, vorhersehbare Leistung. Karte 2 ist aggressiver mit einer direkteren Gasannahme und einer explosiveren Leistungsentfaltung.
Der Auspuff
Die KTM SX-Serie 2023 profitiert von einem kompakteren Auspuffdesign, das eine verbesserte Bodenfreiheit bietet und das Risiko von Schäden durch tiefe Spurrillen oder Fremdkörper verringert. Auch der Schalldämpfer profitiert von der kompakten Bauweise, besteht aus leichtem Aluminium und ist stilvoll mit einer hochwertigen schwarzen Beschichtung versehen.
Abschluss
Mit diesen neuen Zweitaktmodellen hat KTM einen wichtigen Meilenstein in der Zweitakttechnologie gesetzt. Es war ein offenes Geheimnis, dass Österreich hart daran arbeitete, den Vergaser dauerhaft ins Museum zu verbannen. Der Komfort der Anlassermotoren, die es schon seit Jahren bei Viertaktmotoren gibt, ist nun auch bei Zweitaktmotoren üblich. Eine logische Konsequenz ist ein Leistungsventil, das elektrisch arbeitet und von der ECU gesteuert wird.
Mit dieser Einführung werden die Zweitakter der Marke plötzlich jede Menge Elektronik an Bord haben. Was die Zuverlässigkeit betrifft, ist das überhaupt kein Problem, denn in Mattighofen hat man damit jahrelange Erfahrung bei seinen SX-F-Modellen. Allerdings müssen der Fahrer und die Person, die die Maschine wartet, bei der Abstimmung und Wartung völlig anders vorgehen. Von nun an werden die Eigenschaften der abgegebenen Leistung viel stärker durch die Abstimmung des Steuergeräts bestimmt. Davor erfolgte die Abstimmung fast ausschließlich mechanisch. Von der Konkurrenz hat KTM in den kommenden Jahren jedenfalls nichts zu befürchten. Die Zweitakttechnologie ist nach wie vor beliebt und mit der Einspritzung ihrer Maschinen bedienen sie eine große Gruppe von Motocross-Fahrern, die auf vorgemischtes Benzin schwören.
Wir warten gespannt auf einen Test mit diesen neuen „Ring Ding Dings“ aus Österreich.
Tekst: Danny Hermans
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